Statement unseres Fachanwaltes für Sozialrecht zur Situation in Schleswig-Holstein

sehr geehrte Damen und Herren,

zur Vorbereitung einer Besprechung, das Folgende:

  1. PSV

Wir haben am 16.4.2022 zu Pflegesatzverhandlungen aufgefordert.

Das in diesem Jahr eine Vielzahl von Verhandlungen zu führen sind, ist bekannt. Davon sind aber nicht nur die KT, sondern auch die Einrichtungen und deren Berater betroffen.

Hinzu kommt, dass bei einer völlig unklaren Sach- und Rechtslage die KT immer wieder nur verzögert Ihren Veröffentlichungspflichten nachgekommen sind oder diese sogar geändert haben (z.B. Veröffentlichung Durchschnittslöhne, Richtlinien). Zudem gab es weitere Gesetzesänderungen und neue Richtlinien und Auslegungen (FAQ).

Die Nachweisrichtlinien nach § 84 SGB XI sind bis heute überfällig.

Es sollen gar keine Vorwürfe gegen die in den Verhandlungen beteiligten Personen erhoben werden, jedoch halten wir es für unsachlich, in diesem Jahr auf etwas längere Bearbeitungsfristen hinzuweisen. Hinzu kommt, dass nach unserer Auffassung KT dazu neigen, häufig überflüssige Aufgaben und Anforderungen zu stellen, um sich selbst etwas Zeit zu verschaffen.

Wenn dann wenigstens die Zuarbeit umgesetzt werden würde, wäre dies vielleicht noch motivierend. Ich will aber gar nicht wissen, viele Anforderungen von KT ich in diesem Jahr bearbeitet habe, die dann nicht ansatzweise berücksichtigt wurden oder unsinnige Korrespondenz über den Zeitpunkt der Vorlage der Stellungnahme des Bewohnerbeirats geführt wurde, obwohl nicht ein einziger KT die Zustimmung des Beirates zum Anlass genommen hat, die Kosten wie begehrt zu erhöhen. Einerseits wird behauptet der Bewohnervertretung erhebliches Gewicht beizumessen, andererseits wird deren Stellungnahme völlig außer Acht gelassen.

Auch ich habe mehrfach versucht Sie anzurufen. Entweder es war besetzt oder es ging keiner ran. Auch dies ist kein Vorwurf, da in diesem Jahr eine echte Ausnahmesituation besteht.

Auf der Strecke bleiben dann die Einrichtungen, die gerade aufgrund der besonderen Situation in diesem Jahr einfach ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Anstatt pragmatische Lösungen zu finden, werden dagegen Angebote unterbreitet, die offensichtlich einen wirtschaftlichen Betrieb nicht ermöglichen.

Dann wird von Ihnen auch noch die Situation verschärft, da Ihr aktueller Angebotsbeginn nicht wie von Ihnen selbst eingeräumt der 1.8.2022, sondern der 1.9.2022 sein soll oder sogar der 1.10.2022 angedroht wird.

Woher sollen die Gelder für die Ausgaben kommen?

  1. Fachkraftquote

Die Fachkraftquote wurde eingehalten. Zum einen liegt noch kein Bericht vor, zum anderen wurde offensichtlich wieder völlig absurd die Fachkraftquote ermittelt. Wenn eine Einrichtung 20 VZÄ Pflegekräfte vereinbart hat, wovon 10 VZÄ PFK sein müssen, dann kommt die Heimaufsicht immer wieder auf die Idee, dass wenn 12 PHK und 10 PFK beschäftigt seien, die Fachkraftquote unterschritten sein würde. Jedenfalls hat unsere Mandantschaft auf solche sinnfreie Bürokratie reagiert und den überzähligen Pflegehelfern gekündigt. Die Bewohner wird es freuen, da die Fachkraftquote nun ja eingehalten ist.

Es ist einfach nur frustrierend.

  1. Ihr Angebot

Leider können wir Ihre Berechnungen weder im Personal- noch im Sachkostenbereich nachvollziehen.

  1. Personal

Eine PDL ist nach der EntgeltO des TVöD in die EG 14, als Bereichsleiterin einzugruppieren, weil Sie mehr als 12 und weniger als 48 Beschäftigte zu leiten hat.

Mit einer Betriebszugehörigkeit von 5,5 Jahren ist für Pflegekräfte die Stufe 4 anzusetzen.

Warum sind die KT in Schleswig-Holstein nicht in der Lage, die Regelungen des TVöD umzusetzen?

Auf ein Grundgehalt von 4.780, € sind die allgemeine Schichtzulage für Früh- und Spätdienst, die Pflegezulage nach § 51a Abs. 4, von 25,00 €, die Pflegezulage von 120 € nach § 51a Abs. 5, die Geriatriezulage nach ProtErkl. 1. zu  EntGO TVöD XI. Ziff. 1 c) anzuwenden, was auch durch das LAG BW mit Urteil vom 20.07.2015 (1 SA 4/15) bestätigt wurde, die Sondergratifikation nach § 52 a, VWL nach § 23, die bAV nach § 25, die Gutscheine aus betr. Übung, die Zuschläge nach § 8, sind alle nach TVÖD zu berechnen.

Dies haben wir in der von Ihnen angeforderten Personalliste dezidiert unter Nachweis aller Rechtsgrundlagen gemacht, ohne dass Sie darauf konkret eingehen.

Soweit Sie pauschal zu den Zulagen Stellung nehmen, bleibt unklar, wie Sie die einzelne Entgelte konkret berechnet haben.

Unklar ist auch, warum Sie entgegen § 8 nur einen Feiertagszuschlag von 35% und nicht von 135% ansetzen. Aufgrund des Fachkräftemangels ist ein zusätzlicher Freizeitausgleich kontraproduktiv, zumal der Urlaub in der Pflege ohnehin schon wieder angehoben wird.

Wir haben die Gehälter, einschließlich der PDL, konkret dargelegt. Sie können nicht einfach behaupten, dies sei unplausibel, ohne konkret bei den einzelnen Positionen zu erklären, welche nicht vom TVöD gedeckt seien oder eine nachvollziehbare Gegenrechnung vorzulegen, aus der die Unterschiede deutlich werden.

Stattdessen bieten Sie irgendwelche Gehälter an, deren Berechnung gar nicht genannt wird. In welchem Umfang haben Sie z.B. SFN-Zuschläge berücksichtigt, was ist mit den Ausfallzeiten, wo sind VWL, bAV, usw., welche Sozialversicherungswerte, einschließlich BG haben Sie angesetzt?

Auch die von Ihnen angesetzte Stufenregelung ist fehlerhaft. Sicherlich haben es sich beide Seiten etwas einfacher gemacht, wobei jeder die im zuträgliche Extremposition eingenommen hat. Wir haben die Höhere Stufe angesetzt, wenn ein Stufenaufstieg während der Laufzeit eintritt. Sie haben solche Stufenaufstiege dagegen völlig unberücksichtigt gelassen. Hier bedarf es entweder einer praktikablen Lösung oder eine monatsbezogenen Spitzabrechnung.

Da Sie unsere Berechnungen nicht substantiiert widerlegt haben, fordern wir Sie auf, entweder unsere Rechnung anzuerkennen, oder konkret für die Einzelnen Mitarbeiter Rechnungen vorzulegen, wie Sie Ihre Gehälter berechnet haben.

Auch Ihre unsubstantiierten Abweichungen beim sonstigen Personal, die Sie nicht mit einer Silbe rechtfertigen, kann nicht dazu führen, dass Sie uns von Ihren Zahlen überzeugen.

Warum mache ich Ihnen einen ausführliche Liste, wenn Sie nicht darauf eingehen?

Auch dies nährt den Verdacht nur Arbeitsbeschäftigungsmaßnahmen zu fordern, um hinterher verzögerte Bearbeitungszeiten zu bemäkeln.

Warum die QMB als Pfegefachkraft nicht wie eine Pflegefachkraft vergütet wird, haben Sie auch nicht erläutert.

  1. Die Personalnebenkosten

Die Personalnebenkosten haben wir konkret dargelegt. Auch hier hatten Sie es nicht nötig, die Kürzung um fast die Hälfte zu begründen. Woran soll gespart werden? An der Schwerbehindertenabgabe, an den Fortbildungskosten, sollen Mitarbeiter die gefährliche Pflege machen, klauen oder Mitarbeiter diskriminieren nicht mehr gekündigt werden? Wie sollen allgemein bekannte Risiken von Arbeitsgerichtsprozessen kompensiert werden? Wie soll der Betriebsarzt bezahlt werden, usw.? Nicht einmal ein Andeutung haben wir von Ihnen gehört.

Es ist natürlich einfach, sich mit Argumenten gar nicht auseinanderzusetzen, und sich dann auf ein vermeintliches Rückwirkungsverbot wegen längerer Bearbeitungszeiten zu berufen, nur um es der Einrichtung „richtig gezeigt“ zu haben.

  1. Sachkosten

Wir haben die Sachkostensteigerung konkret dargelegt. Allein bei Energie wurden aktuelle Sachkosten von 182.359,56 € dargelegt.

Wie kann man als Kostenträger auf die von jeglicher Realität gelöste Idee kommen, dann nur 165.977 € zu refinanzieren?

Wo ist der Goldesel oder die Gelddruckmaschine, um die tatsächlichen Differenzen auszugleichen?

Was ist mit weiteren Steigerungen? Sicherlich wird man von den 165.957 € eine Menge Fleecedecken und dicke Socken kaufen können. Zum Heizen reicht das Geld nämlich nicht.

Gleiches gilt für die Pflegeverbrauchsmaterialien.

Wir haben für 6 Monate schon Ausgaben von 25.532,68 € dargelegt.

Und Sie kommen allen Ernstes auf die abwegige Idee, für ein ganzes Jahr 16.320,00 € anzubieten? Welche Einrichtung in ganz Deutschland soll mit so einen Budget auskommen?

Das Personal und die Bewohner werden sich sicherlich freuen, wenn jedem Mitarbeiter nur 2 Masken pro Monat ausgeteilt werden.

Auch Steigerungen im Lebensmittelbereich haben wir konkret dargelegt. Sie bieten einen Wert von 5,30 € an. Damit ist eine ausgewogene Versorgung nicht möglich. Es ist keine Wertschätzung ggü. den Bewohnern, wenn diese trotz erheblichen Heimentgeltsteigerungen, die übrigens nicht ansatzweise die Einrichtung zu vertreten haben, weniger zu essen bekommen werden müssen. Sicherlich werden sich die Bewohner über mehr Suppentage und minderwertige Lebensmittel freuen.

Wie können Kostenträger, die selbst bei jedem Einkauf die erheblichen Kostensteigerungen spüren, derartige Angebote abgeben?

Vielleicht sollten Sie einfach mal Zeitung, möglichst mal Fachzeitschriften aus dem Bereich der Pflege, wie z.B. Carekonkret, lesen. Überall gibt es Brandbriefe und Aufrufe, dass das aktuelle Verhalten der Kostenträger die Pflegeeinrichtungen kaputt machen.

Genauso wie Herr Kollmeier, sind viele vormals gesunde Einrichtungen unverschuldet in eine Situation geraten, die aus kaufmännischer Sicht nur noch die Beendigung der stationären Pflege rechtfertigt.

Sehen Sie uns nach, wenn ggf. die eine oder andere Formulierung etwas „deutlicher“ ausgefallen ist. Da wir aber tagtäglich die Not, den Frust und die konkreten Existenzängste zu hören bekommen, nimmt das Verständnis für Ihr aktuelles Angebot und selbst die angekündigte Weigerung, zumindest zum 1.8.2022 abzuschließen, stark ab.

Leider ist bei den aktuellen Wartezeiten bei der Schiedsstelle in S-H auch das Einigungsstellenverfahren faktisch keine Option, da die Einrichtung das Verfahren wirtschaftlich nicht überleben würde.

Es bleibt der aufrichtige Appell an die Kostenträger ihrer Verantwortung für ihre Versicherte nachzukommen und kurzfristig ein tragfähiges Angebot mit Beginn ab dem 01.08.2022 vorzulegen.

In anderen Bundesländern ist dies möglich. Das vermeintliche Rückwirkungsgebot kann auch so verstanden werden, dass dies auf die Antragstellung zzgl 6 Wochen, auszulegen ist und nicht erst mit Eingang des Schiedsstellenantrages, was bei fristwahrender Stellung ohnehin nur unnötige Kosten und Zusatzarbeit für alle Beteiligten bedeutet.

Wie angekündigt stehe ich für eine telefonische Besprechung gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen